Editorial FUNKAMATEUR 2/2019
Auf die Mischung kommt es an
An manchen Tagen erscheinen die Amateurfunkbänder auf Kurzwelle, vor allem im oberen HF-Bereich, wie abgeschaltet. Beim Absuchen der Bänder ist weit und breit kein Signal zu entdecken und scheinbar sind es die Ausbreitungsbedingungen, die keine Verbindung zulassen. Letzteres ist derzeit tatsächlich häufig die Ursache, oft aber auch nicht. Vielmehr kann ein leeres Band daran liegen, dass trotz Öffnung einfach niemand funkt und sich alle allein aufs Hören konzentrieren oder sich auf das DX-Cluster verlassen.
Umso größer ist dann die Überraschung, wenn man selbst einen allgemeinen Anruf startet und die Antwort aus unerwarteter Richtung kommt. Ein wohl extremes Beispiel durfte ich vor einigen Jahren erleben, als ich spätabends im wenig belebten 20-m-Band in SSB rief und nach kurzer Zeit eine Station auf Deutsch zurückkam. Der OM hatte offenbar eine leistungsfähigere Antenne als ich mit meinem Vertikalstrahler auf dem Balkon, sodass ich sein Rufzeichen erst beim zweiten Durchgang korrekt aufnehmen konnte. Dies war die für mich bis dahin spektakulärste Amateurfunkverbindung: Die Antwort auf meinen CQ-Anruf kam von den Galapagosinseln im Pazifik, einem für viele europäische DXer raren DXCC-Gebiet.
Zugegeben, ein derartiger Glücksfang kommt nicht oft vor. Doch ohne meinen CQ-Ruf, von dem ich mir angesichts meiner schwierigen Antennenlage wenig versprochen hatte, wäre dieser Funkkontakt nicht zustande gekommen. Der Funkfreund lebte ständig auf Galapagos und hatte kein Interesse an Pile-ups. Hätte er doch selbst CQ gerufen, wäre mein Signal aufgrund des im Handumdrehen hohen Andrangs sehr wahrscheinlich nicht mehr bis zu ihm durchgedrungen. Doch muss es nicht gleich die Aussicht auf eine Verbindung mit einer Station im fernen Pazifik sein, um selbst auf den Bändern zu rufen und interessante Gesprächspartner zu finden. Einen Versuch, besser mehrere, ist es allemal wert.
Dennoch ist der Hörbetrieb ebenso wichtig. Viele an DX-Verbindungen interessierte Funkamateure, und ich schließe mich selbst nicht aus, nutzen heute gerne Meldungen im DX-Cluster oder im Reverse Beacon Network, RBN. Beide sind unbestritten hilfreiche Werkzeuge, um sich einen Überblick der aktuellen Funkaktivitäten zu verschaffen und die für einen selbst interessanten DX-Stationen zu finden.
Doch verpasst man seltene Gelegenheiten, sofern man sich alleine darauf verlässt. So tauchte kürzlich das Rufzeichen einer außergewöhnlichen Station in der Antarktis in den Meldungen bei RBN überhaupt nicht auf, obwohl deren Signal im 30-m-Band hier einigermaßen gut lesbar war. Aufgrund wohl selektiver Ausbreitungswege an jenem späten Abend erreichte es offenbar die Antennen der europäischen RBN-Stationen nicht.
In Berichten von Teilnehmern an DXpeditionen liest man zudem immer wieder, dass die erhofften Pile-ups erst an Dynamik gewannen, nachdem die Frequenz der betreffenden Station im DX-Cluster gemeldet wurde.
Im Umkehrschluss könnte man vermuten, dass viele DXer die einschlägigen bzw. oft vorab veröffentlichten Frequenzen der DXpeditionäre selbst nicht mehr beobachten und ohne DX-Cluster die Aktivität gar verpassen würden.
Letztlich kommt es bei der erfolgreichen Suche nach interessanten Stationen noch immer auf die Mischung zwischen selber rufen und mit gespitzten Ohren hören an. Dies gilt umso mehr, wenn man keine Richtantenne aufbauen kann und das begehrte Rufzeichen im Log haben will, bevor ein Pile-up beginnt.
Harald Kuhl, DL1ABJ