Editorial FUNKAMATEUR 4/2024
Müssen wir Funkamateure vor KI Angst haben?
Künstliche Intelligenz (KI) ist laut Wikipedia ein Teilgebiet der Informatik, das sich mit der Automatisierung intelligenten Verhaltens und dem maschinellen Lernen befasst. Das klingt erst einmal nicht per se bedrohlich. PCs und Software werden von Menschen entwickelt und gebaut bzw. programmiert. Gegenüber den 1970er-Jahren, als ich im Studium das Programmieren mit ALGOL 60 erlernte, hat sich auf diesem Gebiet eine Menge getan.
Computertechnik hat heute eine völlig andere Qualität. Die früher scherzhaft Blechkameraden genannten Maschinen können inzwischen sogar selbst lernen. Da ist das Attribut künstliche Intelligenz schon annähernd zutreffend, wenngleich Rechner meines Erachtens noch nicht wirklich selbst denken können.
Eine Tendenz zum selbständigen Denken zeichnet sich jedoch unzweifelhaft ab, und da ist es bitter nötig, aufzupassen und Richtschnüre zu spannen! Deswegen hat das Europäische Parlament am 13. März 2024 nach dreijähriger Beratung mit dem Ai Act die weltweit erste staatliche Regulierung künstlicher Intelligenz beschlossen, ein 258 Druckseiten umfassendes Gesetz für Künstliche Intelligenz. Dabei gilt der Grundsatz: je höher das Risiko, desto strenger die Regeln. Details sollen nationale Gesetze regeln.
Allerdings treten die schärferen KI-Regeln erst in zwei Jahren in Kraft und müssen mit weiteren Entwicklungen flexibel Schritt halten. Diese Verzögerung ist schwer nachzuvollziehen, denn aufgrund des schnell zunehmenden Gefahrenpotenzials wäre zügigeres Handeln ein Gebot der Stunde. Den Fachkräftemangel in den Griff zu bekommen, wovon manche Politiker träumen, dürfte KI allerdings kaum leisten können.
Uns Funkamateure tangiert KI nicht nur als aufmerksame und mitdenkende Staatsbürger, sondern auch in der Amateurfunkpraxis.
FT8 hatte ich selbst in FA 3 und 4/2018 wohlwollend vorgestellt – unter dem Gesichtspunkt des DX-Verkehrs. Ich konnte freilich nicht absehen, wo die Entwicklung hinläuft, dass PCs mittlerweile mehr und mehr allein miteinander funken. Angesichts des archaischen Informationsgehalts bedarf es dazu nicht einmal KI. Daneben gibt es andere digitale Sendearten, bei denen dies nicht anders aussieht; weitere werden sicher folgen. Manch einem mag das gefallen, Amateurfunk ist ja schließlich ein Hobby und soll den Ausübenden Freude bereiten.
KI dürfte dennoch im Amateurfunk zunehmend Fuß fassen, sie kann inzwischen die menschliche Sprache nicht nur bestens verstehen, sondern obendrein täuschend echt nachahmen. Also, wer garantiert mir denn eigentlich heute noch, ob mein Fonie-QSO-Partner tatsächlich noch die YL oder der OM ist, als sie oder er sich ausgibt und dessen Daten ich etwa bei QRZ.com nachlesen kann?
Deshalb sei unbedingt an unseren Ehrenkodex erinnert, der uns verbietet, das Gegenüber derart auf die Schippe zu nehmen. Wer KI beim Funken trotzdem ausprobieren möchte, sollte dies im QSO unmissverständlich zum Ausdruck bringen. Vorschriften dürften da wenig helfen, da deren Einhaltung kaum überprüfbar wäre. Gleichwohl täte die IARU gut daran, ihren Mitgliedsverbänden entsprechende Empfehlungen mit auf den Weg zu geben.
In diesem Sinne awdh auf den Bändern – und dies wie gewohnt von Mensch zu Mensch!
Ihr Dr.-Ing. Werner Hegewald, DL2RD