Vor 90 Jahren: Start des ersten öffentlichen Fernschreibnetzes mit Wählbetrieb
2023-10-18
Öffentliche Fernschreibnetze waren Anfang der 1930er-Jahre bereits in mehreren Ländern erfolgreich in Betrieb. Die Verbindungen zwischen den Fernschreibteilnehmern wurden dabei immer handvermittelt hergestellt. Existierte für den Fernschreibverkehr kein separates Netz, dann musste das vorhanden Fernsprechnetz diese Aufgabe zusätzlich übernehmen.
Die internationalen Entwicklungen wurden auch von der Deutschen Reichspost verfolgt. Die Firma Siemens nutzte die Möglichkeiten der Fernschreibtechnik bereits länger für ihre interne Kommunikation. In Teile ihres Firmennetzes wurden auch Komponenten für den Selbstwählbetrieb erprobt. Die positiven Erfahrungen überzeugten die Deutsche Reichspost, sodass sie den Aufbau eines eigenständigen Fernschreibnetzes mit Wählbetrieb im Rahmen eines öffentlichen Versuchsbetriebes veranlassten.
Am 16. Oktober 1933 war es soweit. In Deutschland wurde das weltweit erste öffentliche Netz für Fernschreib-Teilnehmer-Selbstwahl in Betrieb genommen. Der etwas sperrige Begriff wurde viele Jahre später durch das Kürzel TELEX (TELeprinter EXchange) abgelöst.
Für das Versuchsnetz wurden in Berlin und Hamburg kleine Vermittlungseinrichtungen aufgebaut. Sie ermöglichten es Teilnehmern beider Städte ihre Fernschreibverbindungen untereinander per Selbstwahl herzustellen.
Der Versuchsbetrieb startete ähnlich zurückhaltend, wie im Jahr 1881 bei der Inbetriebnahme der ersten Fernsprechvermittlung in Berlin. Nur wenige Interessenten meldeten sich für das neue Fernschreibnetz an. Neben einigen Bankhäusern und Firmen, wurden auch zwei Hotels im ersten Teilnehmerverzeichnis aufgeführt: Das "Eden" in Berlin und das "Atlantic" in Hamburg.
Am 14. Juli 1935 endete der Versuch und der Regelbetrieb begann. Beide Vermittlungsstellen wurden vorher erweitert und eine dritte in Dortmund aufgebaut. Bis zum Jahresende waren es fünf weitere Vermittlungsstellen.
Von der anfangs zu beobachteten Zurückhaltung war nichts mehr zu spüren. Die Nachfrage nach Anschlüssen, die einen schnellen direkten fernschriftlichen Nachrichtenaustausch sicherstellen konnten, nahm immer weiter zu. Anfang 1945 verfügte das Netz bereits über 3000 Anschlüsse.
Mit dem Ende des 2. Weltkrieges endete zunächst die Erfolgsgeschichte. Zerstörung und Demontage erschwerten den Wiederaufbau des Fernschreibnetzes. Mit der Aufteilung in mehrere Besatzungszonen und den damit einhergehenden unterschiedlichen Interessen, wurde auch die ursprüngliche Netzstruktur obsolet. Neuplanungen wurden nötig.
Im Jahr 1952 waren allein in der Bundesrepublik bereits wieder 6000 Teilnehmer am Netz. In den folgenden Jahren stieg der Bedarf an Fernschreibanschlüssen unaufhaltsam weiter. Im Jahr 1984 wurden mehr als 155 000 gezählt.
Ein Ende der Entwicklung war zwar noch nicht erkennbar, aber neue Kommunikationsmittel traten bereits auf den Plan. Der Telefax-Dienst, seit 1979 im Netz der Bundespost zugelassen, sollte innerhalb weniger Jahre eine zehnfach höhere Teilnehmerzahl erreichen. Die sinkende Nachfrage nach Fernschreibanschlüssen und die zunehmende Konkurrenz durch noch leistungsfähigere Datennetze, veranlassten letztendlich die Deutsche Telekom ihren TELEX-Dienst am 31. 12. 2007 einzustellen.
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