"Bagatellrundfunk": Mittelwellenrundfunk kleiner Leistung
2019-01-31
Die Mittelwelle (MW), auf der der Rundfunk vor über 90 Jahren begann, ist in Deutschland für ARD und Deutschlandfunk Vergangenheit. Die landesweite sichere Rundfunkversorgung wurde bei der zuletzt geringen Hörerzahl zu teuer. Die AM ersetzende Digitaltechnik DRM konnte sich auch nicht rechtzeitig verbreiten, die Sender sind nun abgebaut, die Masten gesprengt. Die Frequenzen liegen seitdem brach.
Auch in Großbritannien, wo die MW weit beliebter war als im früh mit gutem UKW-Klang verwöhnten Deutschland, werden seit Jahren MW-Sender stillgelegt und Lizenzen zurückgegeben. Dies nutzte der einst auf der MW groß gewordene ehemalige Piratensender Radio Caroline, um eine der nun weit weniger gefragten und damit auch für nichtkommerzielle Projekte erreichbaren MW-Lizenzen zu bekommen.
Doch auch wenn die MW nicht mehr alltags-radiotauglich ist, ist sie immer noch interessant für Veranstaltungsradio, technische Versuche und Museumssender. Davon ließ sich auch die Bundesnetzagentur immer öfter überzeugen: So aktivierten Funkamateure im Oktober 2016 in Halle die MW auf 1575 kHz für ein Kunstfestival. Bereits seit 2008 ist Welle 370 vom Funkerberg Königswusterhausen auf 810 kHz aktiv, seit 2014 mit einer durchgehenden Lizenz. Das Projekt wurde im FA 5/2011 ausführlich vorgestellt und dürfte damit der erste Sender dieser Art in Deutschland sein.
Ein weiterer Protagonist der neuen MW-Nutzung ist das Rundfunkmuseum Cham. Dort ist der ehemalige MW-Sender Ismaning des Bayrischen Rundfunks nicht nur ausgestellt; er durfte außerdem - wenn auch natürlich nicht mit der ehemaligen Leistung von 100 kW - wieder in Betrieb gehen, um ein Testsignal für die zahlreichen historischen Rundfunkempfänger im Museum und die zu Veranstaltungen anreisenden Besucher zu liefern.
Für einen solchen AM-Sender lassen sich von Kindern und Jugendlichen auch einfache Rundfunkempfänger basteln. Deshalb ging nun auch im Deutschen Museum in München unter dem Namen Radio Eule (die Eule ist das Maskottchen des Deutschen Museums) auf 1500 kHz ein MW-Sender in Betrieb (Mittelbayrische Zeitung), für den OM Michel Heller vom Rundfunkmuseum Cham Wissen und Hardware zur Verfügung stellte. Auch 100 MW-Empfängerbausätze für München werden aus Cham geliefert.
Weitere "Museumssender" sind AnTennenlohe aus Erlangen auf 1476 kHz (radiomuseum.org) und der Ortssender Wertingen (radiomuseum-wertingen.de), der wie Cham auf der alten Ismaninger Frequenz 801 kHz sendet.
Alle diese Projekte wurden von Funkamateuren inittiert, oft stehen die Sender auch in den Räumen einer Klubstation. Damit weitere derartige Sender einfacher realisiert werden können, soll bei den Landesmedienanstalten nun eine neue Rundfunkart namens Bagatellrundfunk für solche Kleinsender ohne finanzielle Interessen eingeführt werden.
DL2MCD