Editorial FUNKAMATEUR 12/2023
Über den Sinn des Funkens
Die Welt verändert sich. Man hört oft, die CW- und SSB-Bereiche der Amateurfunkbänder seien kaum genutzt. Nur im FT8-Abschnitt und während Contesten findet reger Funkbetrieb statt. Das stört mich persönlich nicht, weil mir Contest-QSOs jeder Art Spaß bereiten und ich FT8 eher unspannend finde und deshalb kaum betreibe. Zwar hat mein Computer einige tausend FT8-Verbindungen abgewickelt, doch so richtig tief bin ich in diesen Digimode nicht eingetaucht.
DXpeditionen bringen eine hohe Zahl von Funkverbindungen ins Log. Funkkontakte in FT8 gelten für das DXCC-Diplom und bringen viele Bandpunkte. Sie machen meist die Hälfte der QSOs der Funkaktivität aus. Dabei bedeutet der FT8-Betrieb für DXpeditionäre wohl wenig zusätzlichen Aufwand. In FT8 lässt sich, so ist zu lesen, nebenbei funken.
DXer können damit ebenfalls nebenbei die DX-Station anrufen. Man ist nicht mit gespitztem Ohr und geschärftem Verstand ans Funkgerät gebunden, um die richtige Frequenz und den richtigen Zeitpunkt zu finden. Nennt man eine gut ausgestattete Station sein Eigen, gelingen in FT8 Funkkontakte mit der DXpedition mit wenig Mühe. Man hat bewiesen, dass die eigene Amateurfunkanlage mit der DX-Station eine Verbindung herstellen kann. Das ist sicher ein möglicher Sinn des Funkens. Wenig Mühe bedeutet aber auch wenig Erlebnis. Für mich besteht der Sinn des Funkens wesentlich darin, einen DX-Kontakt zu erleben. Dazu gehören Misserfolge, die wieder Motivation sein können, sich selbst und die eigene Station weiterzuentwickeln.
Auf dem Band zu sein und Funkbetrieb oder DX-Signale mitzuerleben, ist eine schöne Erfahrung. Die ganze aufwendige Technik in Betrieb zu nehmen bzw. zu warten, gehört dazu. Das sind alles positive Dinge, die mir der Amateurfunk gibt.
Ich bin kein Sammler – obwohl ich im Contest immer wieder Multiplikatoren sammle. Außerhalb von Contesten steht in Sachen DX nur das Diplom WAZ 160 auf dem Plan, hier bin ich erst seit 2019 aktiv. Wegen Corona sind einige große DXpeditionen ausgefallen und mir fehlen noch neun Zonen. Bewusst mache ich keinen FT8-Betrieb, denn auf das Erlebnis einer echten CW-Verbindung möchte ich nicht verzichten. Den Anruf von KL7RA aus Alaska am Nachmittag des 28.11.2021 auf 160 m werde ich sicher niemals vergessen. Das WAZ 160 ist mein Projekt für die nächsten zehn bis 30 Jahre, auch mit der Erwartung, dass es vielleicht nichts wird. Das ist dann eben so.
Freilich gibt es viele Funkamateure, die gerne sammeln und Listen abhaken. Als soziale Wesen wollen sich Menschen vergleichen. Der persönliche Wert des Punktes hängt meiner Meinung nach von der Schwierigkeit ab, diesen zu erlangen. Einfacher ist eigentlich aus meiner Sicht nicht unbedingt gut. Ob ein Top-Platz auf einer Liste angestrebt wird, entscheidet jeder für sich. Andererseits gibt es ohne Ziele keine Entwicklung.
Ich denke, jeder sollte seine persönlichen Ziele finden. Sie sollten erreichbar, aber nicht zu leicht sein. Amateurfunk ist ein vielfältiges Hobby, bei dem ich auch nach 40 Jahren immer wieder etwas Neues entdecke. Kürzlich habe ich meine ersten Funkkontakte in Hell durchgeführt. Das war ein erfrischendes Erlebnis.
Letztendlich geht es darum, Freude und Sinn zu finden. Das gilt auch für die moderne Welt mit ihren zahlreichen Veränderungen. FT8 ermöglicht vielen Funkamateuren, die mit kleiner Station unterwegs oder anderweitig eingeschränkt sind, die Teilnahme am weltweiten Funkbetrieb. Früher schwierige DX-Punkte sind damit nun schneller zu erreichen. Mich stört es nicht, wenn jemand auf anderem Weg leichter an sein Ziel gelangt.
Michael Höding, DL6MHW